Ein Vortrag über Marketing-Trends behandelte auch das Thema Künstliche Intelligenz. Überrascht stellten wir in der folgenden Diskussion fest, dass viele Marketing-Entscheider kein genaues Bild von diesem neuen Bereich im Marketing hatten.

Was ist Künstliche Intelligenz, wo wird sie heute schon eingesetzt und wo wird sie in Zukunft noch eingesetzt werden? Spannende Fragen, die wir in den folgenden Zeilen beantworten.

Siri (Apple), Alexa (Amazon) und „Google Now“ sind heute im wahrsten Sinne des Wortes in vieler Munde. Es sind Programme, die unsere Sprache und unsere Intention immer besser verstehen und auf unsere Anfragen „intelligent“ reagieren – eine Künstliche Intelligenz, kurz KI oder auf Englisch AI (Artificial Intelligence).
Über 20% aller Google-Suchen beginnen auf Ihrem Smartphone heute mit einem gesprochenen „OK Google...“ [1], um dann die Frage zu artikulieren. Google findet die Antwort, liest sie oft sogar vor, denn Google weiß neben der von Ihnen gestellten Frage viel mehr über Sie und kann so Rückschlüsse ziehen, was Sie mit Ihrer kurzen, eventuell mehrdeutig formulierten Frage eigentlich gemeint haben.
Sicher, dieses Anwendungs-Szenario beschreibt noch kein Marketing-Thema. Es zeigt zunächst auf, wie sich die Mensch-Maschine-Schnittstelle durch die Künstliche Intelligenz verändert. Die Maschine passt sich uns Menschen und unserer bevorzugten Kommunikationsform immer mehr an. Sie versteht unsere Sprache, sie merkt sich unseren Handlungskontext (sie bekommt ein Gedächtnis) und kann mit Hilfe all den vielen gesammelten und ungeordneten Mini-Informationen immer besser die von uns erwartete Reaktion auf unsere Anfragen ausführen. Die Maschinen und damit auch die Webseiten werden damit gefühlt klüger – künstlich intelligenter.
Das hat auch für das Marketing Folgen. In gesprochenen Anfragen verwenden ganz andere Wortschöpfungen verwendet als in geschriebenen. Das hat kurzfristig Auswirkungen auf das Suchmaschinen Marketing (SEM), aber auch im Content Marketing sollte der neue Verhaltenstrend beim Suchen immer mehr Beachtung finden. Damit sind die Folgen der KI mitten im Marketing angelangt – und das ist nur die ganz kleine Spitze vom Eisberg.

Künstliche Intelligenz: Viele Daten sind der Schlüssel!

Bisher hatte der Mensch den Maschinen etwas voraus: Den Erfahrungsschatz. Uns reichen im täglichen Leben kleine Informationsbestandteile, womit wir uns schnell mittels unserer Erfahrung ein vollständiges Bild der Szenerie kreieren können – wir können folgern und abstrahieren. Internet-Programme waren bis vor wenigen Jahren nicht in der Lage, Erfahrungen eigenständig zu sammeln, diese nichtssagenden losen Informationsbruchstücke zu einem großen, ganzheitlichen Bild zusammen zu fügen und diese berechneten Erkenntnisse dann bei Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen. Das ist heute möglich, und bei dem Prozess lernt die KI dann laufend weiter und verbessert sich dadurch, während die Algorithmen früher immer wieder kehrende statische Ergebnisse erzeugten. Die Datenmassen waren damals für die Hard- und Software einfach von ihren Bestandteilen zu vielschichtig und zu groß für eine individuelle Verarbeitung.

Das hat sich mit den Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz und der fortschreitenden Hardware-Entwicklung richtungsweisend geändert. Die Schlagworte sind „Big Data“, „Deep Learning“ und „Neural Networks“. Mittels dieser Themengebiete sind Programme in der Lage, unermessliche Datenmengen in überschaubarer Zeit zu durchforsten, wichtige Schlüsse daraus zu ziehen und so auch einzelne Website-Besucher und deren individuellen Wünsche schnell zu charakterisieren. Sie können mit einem sehr guten Vertriebs-Mitarbeiter vergleichen werden, der flott erkennt, wie dem neuen Ansprechpartner begegnet werden muss und auf welche Themen er angesprochen werden sollte, um Verkaufsabschlüsse zu generieren.
Die Basis einer guten KI ist heute, neben den Programmen selbst, die Datenmenge, die auf allen Kanälen gesammelt wird. Daher ist die neue, wirklich wertvolle Währung im Internet die Datenmenge selbst und nicht mehr das Geld, was erst später damit verdient werden wird. Dieses ist der entscheidende Grund, weshalb Google, Facebook, Twitter und YouTube ihre Dienste komplett kostenlos anbieten. Wir bezahlen alle mit unseren Daten – Tag für Tag. Ein guter Deal für die Anbieter.

KI und Marketing – der Ist-Stand

Laut KRC Resarch sind 55% der Marketing-Entscheider davon überzeugt, dass die Künstliche Intelligenz im Marketing in Zukunft ein „Game Changer“ ist und es mehr verändern wird als es Social Media getan hat [2]. Dabei ist aber zu bedenken, dass Social Media, Google und die angebotenen Werbeformate heute schon sehr viel, wenn nicht alles, mit KI realisieren [4]. Tatsächlich haben heute einige KI-Systeme ihren Weg längst ins Marketing gefunden:

  1. Empfehlungen im Online Shopping
    Die Empfehlungsfunktion bei Amazon haben die Online-Kunden am schnellsten angenommen. Sie war, neben den Suchergebnis-Anzeigen, mit einer der ersten nachhaltigen Anwendungen der KI im Internet-Marketing. Wer hat noch nicht auf ein Amazon-Produkt geklickt, was in der Rubrik „Kunden, die diesen Artikel angesehen haben, haben auch angesehen...“ vorgestellt wurde?! Mittlerweile sind diese Empfehlungen jedoch wesentlich personalisierter. Amazon kennt Sie als treuen Kunden und damit auch Ihre Interessen. Das spielt in die Produktvorstellung, neben vielen anderen Aspekten, mit ein.
    Die Qualität dieser Funktion erscheint dem Nutzer so gut, als ob ein Mensch im Hintergrund Produkt-Verbindungen im Vorfeld manuell erstellt hat. Tatsächlich macht es aber eine Maschine mit KI-Techniken auf Basis von Unmengen von Daten über die Kunden..

  2. Chatbots/Messenger für Kunden und Besucher
    Beim Besuch einer Website sind Ihnen sicher schon einmal die kleinen Chat-Fenster, die sich nach einer gewissen Zeit beim Besucher bemerkbar machen, begegnet. Nicht immer ist wirklich ein Mensch dahinter. Man kann den Chatbots Fragen stellen und erhält menschlich anmutende und in den Kontext passende Antworten. Heute erkennt man erst nach einigen Dialogen, dass die andere Seite ein Roboter sein könnte. Sicher sind diese Chatbots noch nicht perfekt, aber mit der laufend hinzukommenden Datenmenge werden auch sie immer mehr dazu lernen und besser werden.

  3. Künstliche Empfehlungen im täglichen Leben
    Sei es eine der Fitness-Apps, die täglich auf Basis Ihrer Aktivität individuelle Ernährungs- und Trainingstipps anbietet oder Netflix, das auf Basis Ihres Konsums Film- und Serienangebote vorstellt. Alle diese menschlich zusammengestellt anmutenden Angebote entspringen einer Künstlichen Intelligenz und wieder mit Hilfe von enormen Datenmengen, die die Basis bildet.

  4. Individuelle Suchergebnisse
    Die Zeiten, in denen auf gleiche Suchanfragen auch dieselben Treffer auf Google erscheinen, sind längst vorbei. Google liefert mit seiner KI individuelle Suchergebnisse, abhängig von der Tageszeit, dem Ort an dem die Suchanfrage gestellt wird und dem Verhaltenscontext im ALPHABET-Universum (z.B. Youtube.com).
    Haben Sie sich schon mal gefragt, weshalb Ihre Firmenwebsite bei Ihnen immer an erster Stelle bei den Suchergebnissen steht und bei Ihrem Nachbarn bei denselben Suchbegriffen nicht? Die KI ist daran Schuld! Ihr Nachbar hat einen anderen Verhaltenscontext als Sie und der zeigt, dass er sich eben nicht so für Ihr Unternehmen interessiert wie Sie.

  5. Jugendfreundliches und sauberes Internet
    Die Sozialen Netzwerke sind die Spiegel unserer Gesellschaft. Dazu gehören auch Terrorismus, Pornografie und andere nicht jugendfreie Inhalte. Menschen wären mit der Masse der auszuwertenden Tweets und Facebook-Posts schier überfordert. Daher übernimmt das die KI. Sie erkennt pornographische Bilder, Gewaltvideos und vieles mehr.
    Meist erfolgt durch die KI eine Vorauswahl. Diese wird zur Zeit händisch nachgearbeitet – z.B. für Facebook in Berlin durch arvato.

  6. Social Bots und Zielgruppenselektion
    Die KI hat auch schon die Sozialen Medien erreicht. Künstliche Facebook-Mitglieder erschaffen sich eigene Freundeskreise und posten automatisch gezielte Marketing-Meldungen in die Kreise, in denen sie auf nahrhaften Boden fallen. Die Erstellung dieser Interessengruppen erfolgt über Künstliche Intelligenz. Das können Produktvorstellungen, Erfahrungsberichte, aber auch politische Meinungen sein. Mit ihnen ist zum Beispiel der politische Wahlkampf längst in den Sozialen Medien angekommen. Bei der Brexit- und auch bei der Trump-Wahl sollen die Sieger maßgeblich auf den Einsatz dieser Technologie gesetzt haben [5][6]. Ein führender Dienstleister in diesem Feld: Cambridge Analytica.

KI und Internet – das folgt in naher Zukunft

Wir leben in einer sich immer schneller entwickelnden Zeit – auch und vor allem bei den Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz im Internet.

Folgende Werkzeuge wird uns in naher Zukunft die KI online zur Verfügung stellen:

  1. Übersetzung vieler Sprachen
    ALPHABET/Google und Facebook arbeiten mit Hochdruck an ihren Übersetzungstools. Heute muss man über manches Übersetzungsergebnis noch schmunzeln, aber in naher Zukunft wird es zum Standard-Nutzungswerkzeug im Internet gehören. Sicher zum Leidwesen vieler Übersetzungsbüros.

  2. Vorausschauende Systeme für den Kundensupport
    Die Internetsysteme werden in die Zukunft sehen können. Zum Beispiel beim Kundensupport. Schon heute hat die Intel-Tochter Saffrontech eine Künstliche Intelligenz, die mit 88%iger Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann, wann sich ein Kunde mit welchem Produkt über welchen Kanal mit dem Dienstleister in Verbindung setzen wird. Alles auf Basis von laufend gesammelten Erkenntnissen in einer unvorstellbar großen Datenmasse und deren Verknüpfungen.

  3. Gesichtserkennung für personalisierte Angebote
    Große Ketten experimentieren schon damit. Eine Gesichtserkennung wird die Basis für die Vorstellung von individuellen Kaufangeboten. Aktuell wird sie zur Verbrechensbekämpfung im privaten, aber auch in öffentlichen Bereichen, wie zum Beispiel Flughäfen, eingesetzt. Der Sprung ins Internet ist nicht weit. Überlegen Sie mal, weshalb Sie auf Facebook-Bilder Ihrer Freunde markieren können?! Die Vorbereitung für den nächsten Schritt...

  4. Content Creation
    Zum heutigen Zeitpunkt ist der überwiegende inhaltliche Teil von Webseiten-Inhalten statisch. Jeder Besucher bekommt beim Besuch dieselben Texte angezeigt. Lediglich Textbausteine werden z.B. je nach Geschlecht des Besuchers modifiziert. In Zukunft wird ein Algorithmus in der Lage sein, individuelle Marketingtexte zu erstellen und diese je nach Besucherprofil auf der Website zu präsentieren. Die Künstliche Intelligenz lernt gerade das Texten und das ist kein Scherz!

Aktuelles KI-Arbeitsfeld bei SoftPearls

Auch wir befassen uns mit dem Einsatz der Künstlichen Intelligenz. Aktuell soll sich der MemTrainer auf unserer Lernplattform www.memtrainer.de besser auf jeden einzelnen Lernenden einstellen können und so jeden nach seinen individuellen Stärken und Schwächen betreuen. Die Berechnung erfolgt dort durch Microservices, die die Information pro Lerner an die Lernplattform weitergibt. Schon die Testergebnisse zeigen enorme Lernsteigerungen bei den Testpersonen. Das Lernen wird also nicht nur effizienter, sondern macht am Ende auch mehr Spaß.
Ein weiteres sehr spannendes Feld, in dem wir aktiv sind, ist die individuelle Erstellung von Produkt-Vorschlägen in Magento-Shop-Umgebungen. Eine Künstliche Intelligenz analysiert Kauf- und Surf-Verhalten, und gestaltet damit individuell dass Cross- und Up-Selling.

Die Zukunft wird autonom(er)!

Egal welchen Bereich man betrachtet: Die Zukunft wird autonomer und die Technik bekommt immer mehr Fähigkeiten. Diese Entwicklung wird von den großen Unternehmen mit intelligenten Basis-Funktionalitäten und spezialisierter Hardware weiter angefeuert. IBM bietet der breiten Entwicklergemeinde „Watson“ zur Verwendung an (nutzt die Fitness-App von UnderArmour), während Google mit seiner Google Cloud Plattform glänzt.
Die Künstliche Intelligenz wird so für jeden zugänglich und wird damit in viele weitere Bereiche unseres Leben Einzug halten. Hier bestehen auch die Chancen kleinerer Unternehmen, sich die KI mit einem überschaubaren Budget zunutze zu machen. Sicher wird die KI in einigen Bereichen schnell besser werden als menschliche Experten und einige wenige werden die „Macht“ über unserer aller Daten verfügen.
Das wiederum öffnet weitere Themen, wie z.B. die Verantwortlichkeit von Datennutzung, technischer Zensur von Inhalten, von (Falsch-)Entscheidungen oder die Möglichkeit der manuellen Abschaltung der KI durch den Menschen, wie wir es im automatischen Aktienhandel seit Jahren haben. Immerhin, 68% der befragten in einer Vanity Fair Umfrage [3] waren für einen „Aus-Schalter“ für KI-Programme. Ob das die Betreiber interessiert?...